Das Willi-Glas

von P. E. Dangelmaier

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Hermann hatte sich in ein 0,5 Ltr. Willi-Glas ein Gemisch aus Orangenlimonade, Traubensaft und Mineralwasser bereitet. Es war ein normal warmer Sommertag und Sonntag. Hermann saß auf dem Balkon und dachte sich, nachdem er sein Gemix getrunken hatte, „na ein Bierchen währe jetzt nicht zu verachten“. Das Glas hatte er ja schon auf dem kleinen Campingtisch, den er auf dem Balkon aufgestellt hatte. Bevor er sich jedoch ein „kühles Blondes „ zu Gemüte führte spülte er das Glas mit Wasser aus. Kurz dachte er an Verschwendung von Trinkwasser, na ja es war schon so, das Wasser mußte nur die Reste seines Saftgemisches aus dem Glas spülen. Die Gewohnheit siegte und Hermann sinnierte nicht weiter darüber nach ob das Wasser -durch Saft verunreinigt- noch trinkbar gewesen wäre. Er goß sich ein Bier, aus einer Flasche, ins Glas, der „Willi“ füllte sich und eine Schaumkrone machte das ganze ansehnlich elegant. Hermann hatte den Sommertag und die Gedanken ums Trinkwasser schon lange vergessen, Die Tage und Wochen vergingen, plötzlich war es Herbst. Der Wind wurde kälter, die Tage kürzer, der Balkon war vom Campingtisch befreit. Hermann hatte noch Urlaub gut er sagte sich „schau doch mal ins Internet was an Sonne geboten wird. Er wurde fündig ein großer Reiseveranstalter hatte Tunesien 14 Tage 4* HP für 299,--€ im Angebot und Hermann griff kurz entschlossen zu. Die Reise führte ihn nach Skanes zwischen Sousse und Monastir gelegen. Wie immer wurden im Hotel den Neuankömmlingen diverses angeboten, vom Besuch einer Lederfabrik über die Tepichknüpferei, das Künstlerdorf Sidi Bou Said und Karthago, ein Besuch in der Hauptstadt Tunis mit seinen Souks und dem Nationalmuseum, der Norden des Landes um Bizerte und natürlich der Süden. Ja der Süden mit seiner legendären Sahara der größten Wüste der Welt. Hermann lies sich informieren er bekam eine 3 Tage Jeep-Tour angeboten. Der Preis war akzeptabel, in anbetracht der Strecke, der Vollpension und der 2 Übernachtungen. Schon am 5. Tag des Tunesienaufenthaltes ging es frühmorgens los. Um diese Jahreszeit war die Jeep-Karawane klein sie bestand nur aus 2 Fahrzeugen, der Mindestzahl für Sahara-Trips. Etwas im Hinterland war die erste Station El Djem mit seinem Amphitheater, fast baugleich mit dem Kolosseum in Rom und nach Rom das 2. größte seiner Art. Schon gegen 10:00 Uhr war die Küste bei Sfax erreicht, nach kurzem Kaffee-Stop ging es weiter nach Gabes mit der grünsten Oase aller.

Die Landschaft wurde immer karger je weiter der Weg nach Süden führte. In Matmata kam die Karawane gleichzeitig mit der Dunkelheit an. Matmata die Legende, leben unter der Erde mit einem Hitzeschutz von 10-12 m dickem Deckgestein, Höhlen mit Gängen verbunden wie Mäusewohnungen, so war auch das „Hotel“. Matmata hatte einst als Kulisse für den Krieg der Sterne gedient, was den Aufenthalt noch interessanter machte. 2. Tag, frühmorgens unterirdisch Frühstück, dann Besuch bei Einheimischen und dann die Fahrt zur Oase Douz mit seinen bis 45 m hohen Saharadünen. Auf Kamelen wurde in die Sahara zu den Sandbergen geritten. Die Stimmung war super und der Führer hatte angeboten auf der Weiterfahrt, an die Algerische Grenze nach Nefta, noch einen Abstecher an das südliche Ende des Chott El Jerid des riesigen Salzsees zu machen. El Faouar war das Ziel bevor es an die Überquerung des Salzsees gehen sollte. Zwischen Zaafrane und Sabria hatte der Reisebegleiter, wegen des aufkommenden Windes und des schon stark wehenden Sandes, Bedenken weiter nach Süden zu fahren. Er kürzte die Strecke in Richtung Touiba, direkt am Chott gelegen, ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte keiner geahnt, dass der Sturm aus westen kam und es auf der Abkürzung bereits zu Sandverwehungen gekommen war.

Eine Sandwähe, die im Staub nicht zu erkennen war, machte der Fahrt ein abruptes Ende. Zu allem Pech hatten sich beide Jeeps festgefahren und alles Schieben und schaufeln half nichts, die beiden Fahrzeuge und ihre 16 Insassen hatte der Sand gefangen genommen. Der Sand, der nun versuchte auch das Innere der Jeeps, die Augen und Lungen ihrer Insassen zu erreichen. Trockene staubig-sandige Luft, die durch alle Art von Öffnungen, Spalten oder Ritzen der Fahrzeuge kam, trocknete sehr bald auch die geduldigste Kehle aus. Kurz bevor in den Jeeps Panik ausbrach zogen die Fahrer unter Ihren Sitzen 5 Ltr Plastikkanister mit Wasser hervor. Die Notration war nicht das was sich ein Europäer unter Wasser und Durst stillen vorstellt. Handwarm, lack, nach Plastik riechend mit einem Hauch von Öl und Dieselgeschmack war jedem klar geworden „es geht ums Überleben“. Stunden vergingen der Tag neigte sich zur Dämmerung, die Landschaft war nur schemenhaft zu erahnen. Nun war auch die Notration aufgebraucht und alle Mitreisenden saßen auf dem Trockenen. Hermann kam zu diesem Zeitpunkt sein, mit Saft verunreinigtes Glas Wasser in den Sinn. Das Thema war ganz einfach Durst bei 30 Grad , Staub und Ungewißheit. Hermann schwor sich „nie wieder schütte ich ein Glas Trinkwasser sinnlos weg, einige waren eingeschlafen andere am lamentieren eine Mitfahrerin hatte Selbstmordgedanken als plötzlich aus dem Nichts zwei Scheinwerfer auftauchten. Ein aus der Sahara kommender Allradbuss hatte die gleiche Abkürzung genommen, der mit GPS und einer enormen Bodenfreiheit ausgestattete Bus hatte keine gehobenen Probleme die widrigen Bedingungen zu meistern. Ein Kurzes Gespräch unter den Fahrern schon waren die Jeeps im Schlepptau bis bei Touiba die feste Straße erreicht wurde. Ein Dankeschön das wars, die Söhne der Wüste wußten, dass es ein andermal umgekehrt sein könnte, mit einem Salam war alles erledigt. Die Fahrt über den Chott El Jerid auf der von, wie der Fahrer sagte, dem deutschen Wüstenfuchs Rommel gebauten Straße war problemlos. Gegen 23:50 war Nefta erreicht, alle sanken, nachdem sie den Staub aus den Kehlen gespült hatten, in die gegen Skorpione und Schlangen 1m hoch gemauert und gefliesten Betten. Morgens war das Frühstück schnell eingenommen jeder dachte an den vergangenen Tag und deckten sich mit Wasser in Flaschen ein.

Die Fahrt der 3. Tages führte erst zurück bis Tozeur dann nach Tamerza weiter nördlich und an der Algerischen Grenze gelegen. Alle hatten ihre Wasserflaschen griffbereit als sie nach kurzem Fußmarsch die Wasserfälle erreichten –Wasserfälle in der Wüste- damit hatte keiner gerechnet, die Fahrer und der Tourbegleiter machten sich einen Spaß daraus die verdutzten Gesichter zu interpretieren. So nahe liegen sich Durst und Überfluß dachte sich Hermann , mit den Füßen im Wasser stehend, sein in der heimatlichen Küche stehendes Willi-Glas kam ihm in den Sinn. Über Gafsa (Mittagessen) nach Kairouan (Stadtbesichtigung) führte die Strecke nordwärts Richtung Sousse. Auf der langen Fahrt wurde viel über das Erlebte geredet, gelacht und immer wieder mit den Wasserflaschen zu geprostet. Im Hotel angekommen stellte Hermann seine fast leere Wasserflasche ab und da war es wieder „ein Bierchen wäre jetzt nicht schlecht“, er schaute seine Wasserflasche an und sagte zu ihr „dich behalt ich zur Reserve man weis ja nie“und ging in die Bar, es war noch genügend Sand runter zu spülen, Hermann tat dies wie das ein guter deutscher Biertrinker tut -gründlich-.

Der Willi-Becher steht immer noch in der Küche als Universalglas nur Hermann schüttet den Saftrest jetzt nicht mehr mit Trinkwasser weg, er spült den Willi auch, aber mit weniger Wasser und schüttet dieses nicht in den Abguß sondern trinkt diesen Schluck mit einem Genuß den er vorher nicht gekannt hatte ..................